Die Bildhauer der Künstlerkolonie Obermenzing des 19./20. Jahrhunderts, Teil I

Angela Scheibe-Jaeger
In den beiden vorangegangenen Ausgaben hatten wir von der Obermenzinger Künstlerkolonie berichtet, die sich in den beiden von August Exter initiierten Villenkolonien etabliert haben. Die Gegend war für Kunstschaffende anregend, die Häuser waren mit großen Ateliers ausgestattet, beste Voraussetzungen auch für Bildhauer. Leider sind nur wenige Werke der Künstler ihrer „Heimat“ vor Ort in Obermenzing zu sehen.
Ähnlich wie bei den Beiträgen über die Obermenzinger Maler beschränken wir uns im ersten Artikel überwiegend auf die Zeit vor etwa 100 Jahren. In einer weiteren Folge lernen Sie dann eher zeitgenössische Bildhauer kennen, die hier leben und arbeiten.
Der 1874 in Nürnberg geborene Münchner Bildhauer Georg Mattes war Professor für Bildhauerei an der Münchner Kunstakademie. Mattes bewohnte mit seiner Ehefrau, der Künstlerin Eugenie von Schacky (Sie haben sie in der letzten Ausgabe kennen gelernt) in der Rubensstraße 1 (in der Villencolonie II gelegen) eine riesige mit Atelier ausgestattete Villa. Er war wie Franz von Stuck ursprünglich ein Vertreter des klassisch orientierten Symbolismus, ehe er sich der Kirchenplastik zuwandte. Mattes hat in vielen Münchner Kirchen seine Spuren hinterlassen, so auch in der Himmelfahrtskirche in Pasing. Hierfür gestaltete der Bildhauer das Taufbecken (1909), die „Krieger- Gedächtnistafel „ (von ihm gestiftet) sowie die beiden überlebensgroßen Apostelfiguren Petrus und Paulus, die den Altarraum schmücken. Auch auf dem Obermenzinger Friedhof finden sich weitere Werke von ihm. Der Künstler hat ein Familiengrab an der Pippinger St. Wolfgangkirche.
Josef Flossmann (1862 – 1914) kam in München zur Welt, war Schüler der Kunstgewerbeschule und absolvierte die Akademie in München. Sein Lehrer war Adolf von Hildebrand, unter dessen Einfluss Flossmann seine dekorativen, sich an der Antike orientierenden dekorativen Bauplastiken, darunter viele Tierfiguren, gestaltete. Nach ihm wurde die Flossmann-Straße in Pasing-Obermenzing benannt, die bis 1948 nach der Gattin von August Exter „Luisenstraße“ hieß. An der Ecke zur Marsopstraße steht noch heute das 1893/94 errichtete Doppel-Wohnhaus seines Vaters, einem wohlhabenden Großhändler, in dem der Bildhauer, von dem die plastische Ausgestaltung stammt, später ebenfalls lebte und arbeitete.
In Obermenzing sind keine öffentlichen Werke von ihm zu sehen, dafür in Pasing. So stehen seine Figuren vor und an dem Karlsgymnasium, er hat den Altar in Maria Schutz entworfen, sein Bismarckbrunnen am Wensauer Platz ist wohlbekannt, den er kurz vor seinem Tod der „neuen“ Stadt Pasing gestiftet hat. Seine letzte Ruhestätte ist auf dem Pippinger Friedhof, Obermenzing, hinter der Kirche St. Wolfgang. Hier liegt er zusammen mit seiner Tochter Marianne und Schwiegersohn Josef Erber, ebenfalls ein bekannter Bildhauer aus Obermenzing, der als nächster vorgestellt wird.
Der Bildhauer und Karikaturist Josef Erber (1904-2000) wurde in Giesing geboren; er machte eine Steinmetzlehre und studiert an der Akademie der Bildenden Künste. Sein erster Auftrag kam vom Deutschen Museum, für das er 1932 ein Steinrelief arbeitete, erstmalig ausgestellt in der „Neuen Secession“. 1934 heiratet er die Bildhauerin Marianne Flossmann, eine Tochter des oben beschriebenen „Hofbildhauers“. Das Ehepaar lebte und arbeitete in Obermenzing in dem 1900 für Josef Flossmann erbauten Haus in der Marsopstraße 19. Wegen der antifaschistischen Haltung des Ehepaares gab es während des Dritten Reiches keine öffentlichen Aufträge und keine Teilnahme an Ausstellungen. Nach dem Krieg arbeitete Erber als Restaurateur von Kirchen und veröffentlichte Karikaturen und Zeichnungen im „Simplizissimus“. Er stellte in der „Neuen Gruppe“ aus und erhielt 1956 als ersten öffentlichen Auftrag die Gestaltung des Weiß-Ferdl-Brunnens am Viktualienmarkt. In Obermenzing ist leider – bis auf den Brunnen am Exter-Grab von 1962 - kein Werk öffentlich ausgestellt; in Pasing ist das „Flügelrad“ an der Lortzingstraße und der „Brezenbaum“ im Durchgang Bäcker-Gleichmannstraße zu sehen.
Der in Breslau geborene Porzellankünstler und Kleinplastiker Karl Himmelstoß (1878 – 1967) lebte nach seiner Ausbildung in Berlin ab 1912 in Obermenzing in einem nicht mehr existierenden Haus in der Erzherzog-Johann- Straße. Er liegt auf dem Obermenzinger Friedhof begraben. Der im Allgäu geborene Hubert Netzer (1865 – 1939), Bildhauer und Akademieprofessor, war wie Flossmann ein Schüler Adolf von Hildebrands. Er lehrte an der Kunstakademie Düsseldorf, behielt aber weiter sein Atelier in Obermenzing in dem 1895 von Exter erbauten Haus in der Marsopstraße 16. Er bewohnte nach seiner Rückkehr 1930 wieder das noch heute existierende Haus. Bekannte Werke, die Sie allerdings nicht in Obermenzing finden können, sind der Nornenbrunnen an den Maximiliansanlagen und der Narzissbrunnen im Garten des Bayerischen Nationalmuseums.
Der Bildhauer Prof. Emil Krieger studierte unter andrem bei Richard Riemerschmid, dessen Familie das Gelände der Villencolonie II gehörte. Leider sind hier in Obermenzing keine seiner Werke zu sehen, Opernliebhaber können die von ihm geschaffenen Büsten von Karl von Fischer und Richard Wagner im Nationaltheater bewundern. Seine letzte Ruhestätte liegt auf dem Obermenzinger Friedhof.
Der Bildhauer Werner Nida-Rümelin, in Österreich geboren, 1876-1945, gilt als ein „Meister der klassischen Tradition“. 1922 schuf er das Obermenzinger Kriegerdenkmal. Der Künstler wohnte in der Marsopstr. 18, in dem Haus, das sich der Architektenkollege von Exter, Bernhard Borst, 1908 als (erstes) Eigenheim in der Villenkolonie I selbst baute.
Hier lebte sein 1910 geborener Sohn Rolf, der ebenfalls ein gefragter Bildhauer wurde. Seine erste künstlerische Ausbildung erhielt Rolf von seinem Vater Werner.
In der nächsten Ausgabe erfahren Sie mehr von ihm wie auch von den anderen Obermenzinger Bildhauern des 21. Jahrhunderts.